Die Südfront - Gebirgskämpfe am Col di Lana
Col di Lana - der Blutberg wie er genannt wurde war die Stätte von Tod,
Leiden, Blut und Schweiß und ließ den Kampf um den Dolomitenberg Col di
Lana zur Legende werden. 12 italienische Infanterie- und 14 Alpini-
Kompanien rannten im Jahre 1915 immer wieder vergeblich gegen ihn an.
Trotz übermenschlicher Anstrengungen war in dem meterhohen Schnee
über die Steilhänge hinweg kein Erfolg zu erringen. Die Verluste waren so
hoch, dass die italienischen Soldaten den Col di Lana nun "Col di Sangue"
den Blutberg, nannten. Nach dem Wintereinbruch verloren die Italiener
allein durch Lawinen 278 Mann und 97 Verwundete, 63 Mann blieben
vermisst. Der italienische Pionierleutnant Caetani arbeitete einen Plan zur
Unterminierung des Berges aus.
Im Dezember 1915 begannen die Arbeiten. Um Bohrgeräusche zu
vermeiden, wurde auf Maschinen verzichtet. Nur immer zwei Mann
schufteten im engen Stollen mit Handbohrmaschinen, Meißel und Schlegel.
Mitte März wurden jedoch die Geräusche für die österreichischen Besatzer
immer deutlicher und es begann eine qualvolle, nervenzermürbende Zeit.
Tag und Nacht hörten sie unter sich das Bohren und die Sprengschüsse.
Die Österreicher begannen aus einer Gipfelkaverne heraus mit den Arbeiten
an einem Gegenstollen. Am 12. April 1916 war der italienische Stollen fertig.
Seine Länge betrug 52 Meter, mit allen Abzweigungen sogar 105 Meter. Es
gab auch einen Zweigstollen "Trieste", von hier aus sollten nach der
Sprengung zwei Kompanien zum Sturm auf den Gipfel antreten. In der Nacht
vom 15. zum 16 April wurden die beiden Minenkammern mit 5.000
Kilogramm Nitrogelatine, je 100 Rollen Schießbaumwolle und je 100
Sprengkapseln geladen, die Panzerkabel der elektrischen Zündung verlegt
und die Minenkammern durch Sandsäcke und Eisenträger verdämmt.
In der folgenden Nacht wurde die Gipfelbesatzung des Col di Lana, die 5.
Kompanie des 2. Kaiserjägerregiments unter Oberleutnant Toni von
Tschurtschenthaler, abgelöst.
Seit dem Abend des 14. April waren keine Bohrgeräusche mehr zu hören.
Das Laden einer Mine - so schätzten die Österreicher - würde gut 48
Stunden dauern. Jeden Augenblick - und die Kaiserjäger der 6. Kompanie
wussten das - konnte unter ihnen der Fels beben, Feuer emporschlagen und
sie alle verschlingen. Von der Division kam der Befehl: "Der Col di Lana ist
unter allen Umständen zu halten!" Zehn Meter unter den Soldaten lagerte
eine Riesenmenge von Sprengstoff.
Von den italienisch besetzten Bergen spien seit drei Tagen ohne Pause 140
Geschütze Feuer und Verderben auf den kleinen Gipfel. Um 22.30 Uhr
meldete ein Unteroffizier aus dem Kampfgraben durch Zuruf: "Die Italiener
kriechen vor!" Die Telefonverbindung zwischen Col di Lana und
Bataillonsstab war wieder zustande gekommen. Tschurtschenthaler
meldete: "Die Sache wird ernst, es bereitet sich etwas vor!" Seine Soldaten
hatten die Gräben besetzt. Auf einmal blendeten zahlreiche italienische
Scheinwerfer auf. Der Oberleutnant ließ die Hälfte seiner Kompanie in die
Kaverne zurückgehen. Zwei Züge blieben in der Stellung.
Es war 23.30 Uhr, als der italienische Leutnant Caetani den Taster des
Sprengapparates drückte. Da öffnete sich der Berg und Feuer schoss in den
nachtschwarzen Himmel hinein; Tausende Tonnen Fels wirbelten durch die
Luft, dazwischen Soldaten der Grabenbesatzung, zerfetzt ... In der großen
Kaverne flogen die Kaiserjäger durcheinander. Zur gleichen Zeit setzte
italienisches Trommelfeuer wieder ein. Die italienischen Sturmtruppen
waren aus dem Zweigstollen "Trieste" herausgestürzt. Die Posten des linken
Flügels der Kompanie - von der Sprengung verschont geblieben - kämpften
verzweifelt, bis sie überrannt wurden. Durch einen schmalen Schlitz
zwischen den Felsbrocken, die die große Kaverne verschüttet hatten,
schossen Alpinis mit Gewehren.
Die Eingeschlossenen kapitulierten. Etwa 200 Mann waren der Sprengung,
dem nachfolgenden Kampf und dem Artilleriefeuer zum Opfer gefallen. Der
Rest der Kompanie ging in Gefangenschaft. Nur ein österreichischer Soldat
war weder tot noch gefangen. Die Minensprengung hatte ihn hoch empor
geworfen, dann war er in die Siefschlucht gestürzt - in metertiefen Schnee.
Schwer verletzt kroch er zwei Tage lang bis zu einer österreichischen
Kampfstellung. Er konnte nichts berichten. Der Schock hatte ihm die Sprache
geraubt.
Das Ringen an der Tirolergrenze im Weltkriege dauerte Jahre, bei Tag und
Nacht, im Sommer und Winter, in den Tälern und in den Regionen des
ewigen Schnees und Eises, gegen einen mehrfach überlegenen und weitaus
besser ausgerüsteten Gegner, unter Hunger, Kälte und Entbehrungen aller
Art. Dazu kommen die außerordentlich gesteigerte Waffenwirkung mit ihrer
Vernichtung, mit Tod und schrecklichen Verstümmelungen. So soll denn die
Schilderung der Kämpfe um einen der heißest umstrittenen Berge der
Tirolerfront, den Col di Lana, ein Ruhmesblatt der Geschichte der Tiroler
Landesverteidigung beifügen. Sie bedeutet nur einen kleinen Abschnitt aus
dem dreijährigen Ringen an den Grenzen Tirols, denn es gab dort noch viele
andere Berge, um die schwer und blutig gerungen wurde, wie der Monte
Piano, der Monte Pasubio usw.
Kein Berggipfel aber wurde so oft und monatelang erbittert gestürmt und so
hartnäckig und tapfer verteidigt, hat so viel Blut und Tränen gekostet wie
der Col di Lana.
www.gebirgskrieg.heim.at (Website von Andreas Sapan)
Der Erste Weltkrieg
Die Südfront